… und plötzlich stand das Leben still

Mit gemischten Gefühlen vernahmen wir Mitte März die Nachricht, dass sächsische Schulen und Kindertagesstätten geschlossen werden und Kinder, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten, notbetreut werden sollten. Zum einen war man irgendwie erleichtert, dass nun Maßnahmen ergriffen wurden, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Zum anderen mischte sich Unsicherheit mit der Sorge, dass sich unser gewohntes (Schul)Leben nun auf Dauer radikal verändern würde. Für den Moment zumindest stand plötzlich alles still. Vom Ministerium hieß es, es seien keine Ferien und Schülerinnen und Schüler müssten zu Hause lernen. Das bedeutete für Lehrer wie Schüler von jetzt auf gleich vom normalen Unterricht im Klassenzimmer auf eine für viele neue Form des Lehrens und Lernens umzustellen.

Zunächst bekamen die Kinder ihre Aufgabenpakete in analoger Form, dann entschieden wir uns, auf das digitale Format umzusteigen. Ist der Weg zum Lernenden so doch viel kürzer. Im passwortgeschützten Raum unserer Homepage können Schülerinnen und Schüler auf ihre Aufgaben und die entsprechenden Lösungen zugreifen. Verweise auf verschiedene kindgerechte Lernplattformen im Internet erweitern unser Repertoire an Übungsmöglichkeiten und bieten den Kindern ein wenig Abwechslung zum „einfachen“ Schreiben auf Papier. Familien, die keinen Anschluss an das Internet haben oder nicht drucken können, lassen wir die Materialien in gedruckter Form zukommen.

Es scheint fast so, als hätten wir die Aufgabe des Lehrens gänzlich in den häuslichen Bereich und damit an die Eltern abgegeben. Wir wissen sehr genau, was diese nun zu Hause leisten, zusätzlich zum Home-Office und oft neben der Betreuung weiterer Kinder. Sitzen wir doch alle im selben Boot. Doch wir Lehrerinnen sind noch da. Lediglich der Ort, wo und die Art, wie wir arbeiten haben sich geändert. So bereiten wir in Heimarbeit die Lernmaterialien so vor, dass sie von den Schülerinnen und Schülern möglichst eigenständig bearbeitet werden können. Für die ganz schnellen und hungrigen Kinder stehen auf der Homepage auch verschiedene Zusatzaufgaben bereit. Wir erstellen Lösungen für die Selbstkontrolle. Währenddessen wenden sich die eigenen Kinder mit ihren Nöten und Wünschen an uns, die wir nicht ignorieren können und wollen. Bei schwierigen Lehrgängen gibt es ausführliche Beschreibungen und Hinweise für die Eltern, die sie bei der Unterstützung ihrer Kinder anleiten sollen. Per E-Mail oder telefonisch helfen wir unseren Schülerinnen und Schülern, die Fragen oder Schwierigkeiten beim Lösen ihrer Aufgaben haben. Einige von den Kolleginnen halten in der Schule die Stellung und sichern die Notbetreuung ab. Dabei unterstützen sie ebenfalls die zu betreuenden Kinder beim Lernen.

Jede Klassen- und Fachlehrerin weiß, welche Eigenheiten ihre Schüler beim Lernen haben, wie sie im Unterricht darauf eingehen und wo sie unterstützen kann. In der jetzigen Situation ist es nicht immer möglich. Umso mehr haben sich die Kinder, die sich seit Wochen beim Lernen selbst organisieren und ihre Eltern, die ihnen dabei an unserer statt den Rücken stärken, ein dickes Lob verdient.

Wir schauen mit Bangen und Hoffen auf die Zeit danach und freuen uns darauf, wenn wir uns alle wieder gesund und munter zum Unterricht in der Schule wiedersehen. Dann kann das Leben wieder weitergehen.

E. Gaus-Schwarzien